![]() "Euthanasie im Nationalsozialismus" Lesung mit Prof. Dr. med. Volker Roelcke, M. Phil. Volker Roelcke erzählt von seiner Arbeit und liest aus aus seinem noch unveröffentlichten Buch, in welchem er sich befasst mit einem in der historischen Forschung bisher vernachlässigten Aspekt der "Euthanasie" im Nationalsozialismus: nämlich der Rationalität der historischen Akteure (ärzte, Ministerialbeamte, Pflegekräfte), d.h., den ökonomischen und wissenschafts-internen Logiken, welche die Beteiligten dazu geführt haben, eine Grenze zwischen "lebenswertem" und "lebensunwertem" Leben zu definieren, - und auf der anderen Seite die konsequente, radikale und damit auch tödliche Umsetzung solcher Logik in einem der zeitgenössischen Zentren der universitätren Psychiatrie, der Psychiatrischen Klinik der Universität Heidelberg. Das Buch umfasst in einem ersten Teil eine neue umfassende Darstellung der Vorgeschichte (vor 1933) und Geschichte der "Euthanasie" im Nationalsozialismus, im zweiten Teil die Beschreibung der Programmatik und -praxis eines umfassenden, nach den wissenschaftlichen Standards der Zeit innovativen Forschungsprogramms an psychisch kranken und behinderten Kindern und Jugendlichen, die zunächst in der Heidelberger Klinik ausgiebig untersucht, anschließend als "lebensunwert" getötet, schließlich obduziert wurden, mit dem Ziel, wissenschaftliche Kriterien zur Selektion für die "Euthanasie" zu gewinnen. Allgemeineres Ziel des Buchs ist es darzulegen, dass die Euthanasie im Nationalsozialismus einer Rationalität folgte, die nicht erst in der Zeit des Nationalsozialismus entstanden ist, oder auch von Seiten der Politik den ärzten aufgezwungen wurde, sondern dass diese Rationalitität latent oder in milderer Form manifest sich auch vor 1933 und nach 1945, und auch außerhalb Deutschlands sowohl unter ärzten, als auch in der breiteren Gesellschaft findet. Damit soll nicht das Handeln der ärzte im Nationalsozialismus gerechtfertigt werden, sondern umgekehrt auf problematische Implikationen weit verbreiteter Denkmuster über "lebenswertes" und möglicherweise "lebensunwertes" Leben hingewiesen werden. Prof. Dr. med. Volker Roelcke, M. Phil. geb. 1958: Forschungsschwerpunkte Buch-Veröffentlichungen (u.a.): 1790-1914, Frankfurt/ M. 1999 Paris 2003 (Hg., mit Christian Bonah, étienne Lepicard) Stuttgart 2004 (Hg., mit G. Maio) Ein ausführliches Verzeichnis mit Veröffentlichungen (Bücher, Artikel in Fachzeitschriften etc.) findet sich unter: www.med.uni-giessen.de/histor/mitarbeiter/roelcke.html |