KULTURABEND

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Grafik Samstag, 12. Apri 2008, 19:00 Uhr

"Euthanasie im Nationalsozialismus"
Lesung mit Prof. Dr. med. Volker Roelcke, M. Phil.









Volker Roelcke erzählt von seiner Arbeit und liest aus aus seinem noch unveröffentlichten Buch, in welchem er sich befasst mit einem in der historischen Forschung bisher vernachlässigten Aspekt der "Euthanasie" im Nationalsozialismus: nämlich der Rationalität der historischen Akteure (ärzte, Ministerialbeamte, Pflegekräfte), d.h., den ökonomischen und wissenschafts-internen Logiken, welche die Beteiligten dazu geführt haben, eine Grenze zwischen "lebenswertem" und "lebensunwertem" Leben zu definieren, - und auf der anderen Seite die konsequente, radikale und damit auch tödliche Umsetzung solcher Logik in einem der zeitgenössischen Zentren der universitätren Psychiatrie, der Psychiatrischen Klinik der Universität Heidelberg. Das Buch umfasst in einem ersten Teil eine neue umfassende Darstellung der Vorgeschichte (vor 1933) und Geschichte der "Euthanasie" im Nationalsozialismus, im zweiten Teil die Beschreibung der Programmatik und -praxis eines umfassenden, nach den wissenschaftlichen Standards der Zeit innovativen Forschungsprogramms an psychisch kranken und behinderten Kindern und Jugendlichen, die zunächst in der Heidelberger Klinik ausgiebig untersucht, anschließend als "lebensunwert" getötet, schließlich obduziert wurden, mit dem Ziel, wissenschaftliche Kriterien zur Selektion für die "Euthanasie" zu gewinnen.

Allgemeineres Ziel des Buchs ist es darzulegen, dass die Euthanasie im Nationalsozialismus einer Rationalität folgte, die nicht erst in der Zeit des Nationalsozialismus entstanden ist, oder auch von Seiten der Politik den ärzten aufgezwungen wurde, sondern dass diese Rationalitität latent oder in milderer Form manifest sich auch vor 1933 und nach 1945, und auch außerhalb Deutschlands sowohl unter ärzten, als auch in der breiteren Gesellschaft findet. Damit soll nicht das Handeln der ärzte im Nationalsozialismus gerechtfertigt werden, sondern umgekehrt auf problematische Implikationen weit verbreiteter Denkmuster über "lebenswertes" und möglicherweise "lebensunwertes" Leben hingewiesen werden.


Prof. Dr. med. Volker Roelcke, M. Phil. geb. 1958:

  • Studium der Medizin in Heidelberg und Glasgow (GB)

  • 1984 Promotion (Dr. med., Univ. Heidelberg)

  • 1984 - 1988 Studium der Ethnologie, Alten Geschichte und Philosophie in Heidelberg und Cambridge; 1988 Master of Philosophy, Cambridge University (GB)

  • 1988 – 1992 Weiterbildung zum Facharzt für Psychiatrie

  • 1992 – 1999 Wissenschaftlicher Angestellter am Medizinhistorischen Institut der Universität Bonn

  • 1997 Habilitation für Geschichte der Medizin

  • 1998/ 1999 Gastwissenschaftler im Forschungsprogramm „Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus“ der Präsidentenkommission der Max-Planck-Gesellschaft, Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte Berlin

  • 1999 – 2003 Professor (C 3) am Institut für Medizin- und Wissenschafts­geschichte der Universität zu Lübeck

  • seit April 2003 Professor für Geschichte der Medizin und Gf. Direktor des Instituts für Geschichte der Medizin der Universität Gießen


    Forschungsschwerpunkte

  • Geschichte der Psychiatrie im 19. und 20. Jahrhundert

  • Medizin im Nationalsozialismus

  • Geschichte der Sterbehilfe/ Euthanasie (Debatten und Praxis im 19. und 20. Jahrhundert)

  • Geschichte und Ethik des Humanexperiments im 20. Jahrhundert

  • Geschichte der Anthropologie in der Medizin


    Buch-Veröffentlichungen (u.a.):

  • Krankheit und Kulturkritik: Psychiatrische Gesellschaftsdeutungen im bürgerlichen Zeitalter,
    1790-1914, Frankfurt/ M. 1999

  • La médecine expérimentale au tribunal. Implications éthiques de quelques procès médicaux du XXe siècle européen,
    Paris 2003 (Hg., mit Christian Bonah, étienne Lepicard)

  • Twentieth Century Ethics of Human Subjects Research: Historical Perspectives on Values, Practices, and Regulations,
    Stuttgart 2004 (Hg., mit G. Maio)

    Ein ausführliches Verzeichnis mit Veröffentlichungen (Bücher, Artikel in Fach­zeitschriften etc.) findet sich unter:
    www.med.uni-giessen.de/histor/mitarbeiter/roelcke.html




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